„Minna von Barnhelm“ und ein vermaledeiter Virus
Die HP0 war die letzte Probe. Eigentlich ist die Produktion fertig. Wartet nur noch aufs Publikum. Will sich zeigen, von Liebe erzählen, von Scham, von Geld und vom Schmerz. Vom Krieg, der die Menschen seelisch und physisch zugrunde richtet. Von Frauen, die stark und neugierig, und von Männern, die zaghaft und verletzt sind. Von einem hündischen Diener. Und von einer Wirtin, die zugleich Spionin und Popstar ist.
Das Frühjahr 2020 hat durch ein Virus seine Kontur verloren. Viele Anglizismen und neu erfundene Wörter geistern durch die Medien und durch unsere Köpfe. Vom Social Distancing über das Home Schooling direkt auf den Face Shield, hinüber zu den Schutzbedürftigen, hinter den Mund-Nasen-Schutz, rüber zum Reproduktionsfaktor, hinauf zu den Experten, gleich wieder weit hinunter zu den Verschwörern, den Alltagsmasken, bis kurz vor knapp zur neuen Normalität. Wenn man sich die letzten sechs Wochen vor dem Lockdown mit Lessing beschäftigt und „So lasse Er es doch dem gnädigen Fräulein nicht entgelten und hole Er ihn geschwind her!“ und noch vieles, vieles mehr gesagt hat, dazu auf Laptops eingetippt und zu Playbacks des genialen Musikers Michael Rückert gesungen hat, das alles mit Kolleginnen und Kollegen, mit denen man so bald nicht mehr auf der Bühne stehen wird, die auffällige Perücken oder Schottenröcke tragen, Zucker als Koks schniefen und großen Lessing sprechen, während sie sich PTSD-erschöpft in die Wände hinter ihnen verwandeln. Inszeniert von einem Großen, der sich nicht scheut, eine Person 25 Minuten lang auf einer Bühne tanzen zu lassen, während andere mit Sonnenbrillen vor sich hin starren. Wenn man als leidenschaftliche Theaterfrau von einem Tag auf den anderen aus diesem illustren Sammelsurium an Theatereindrücken herausgerissen wird und dann dieses so gut wie fertige Stück nicht zeigen darf. Dann ist das nichts Anderes als sehr, sehr traurig. Danke, Corona. Das war echt unnötig.
STÜCK Minna von Barnhelm AUTOR Gotthold Ephraim Lessing REGIE Markus Steinwender AUSSTATTUNG Elke König MUSIK Michael Rückert SPIEL Markus Baumeister, Vanessa Boritzka, Stefanie Darnesa, Markus Krenek, Elisabeth Nelhiebel, Martin Puhl PRODUKTION Theater an der Rott PREMIERE 21.03.2020
Leider wurde die HP0 nicht durchfotografiert. Somit gibt es kein professionelles fotografisches Dokument dieser Produktion. Eventuell folgt noch ein Trailer, denn Gottseidank hat der Regisseur die HP0 auf Video aufgenommen.
Aber die Wirtin Garderobenselfies gemacht: